Ausbau des Stichkanals Linden Thema im Niedersächsischen Landtag

Die Stadt Hannover muss in einer Beschlussvorlage vom 9. Februar 2009 allerdings anerkennen, dass der Ausbau des Stichkanals Linden im Ranking möglicher Ausbauvorhaben für Wasserstraßen, das nach einem Regierungsabkommen zwischen Bund und Ländern 1986 jährlich neu aufzustellen ist, bislang keine Priorität besitzt. Zu dieser Einschätzung kommt auch die Landesregierung in ihrer Antwort vom 24. Juli 2008 auf eine entsprechende “Kleine Anfrage” der Abgeordneten Heinrich Aller, Wolfgang Jüttner, Marco Brunotte, Dr. Silke Lesemann, Sigrid Leuschner, Stefan Politze, Stefan Schostok (SPD) – Drucksache 16/359. Darin heißt es u. a.: “Unter Berücksichtigung des wasserseitigen Güterumschlags an den Stichkanälen, des baulichen Zustands der Kanäle, des erforderlichen Investitionsbedarfs und des Hafenkonzepts Niedersachsen genießt der Ausbau des Stichkanals Linden die niedrigste Priorität gegenüber anderen vergleichbaren Ausbauvorhaben.”

Diese niedrigste Priorität spiegelt sich auch anhand der vergleichsweise geringen Gesamtausgaben des Bundes für den Stichkanal Linden in Höhe von 4,070 Millionen Euro wider, darunter 2,800 Millionen Euro ab dem Jahr 2011 (Quelle: Bundeshaushalt 2009, Band 2, S. 82). Die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Karin Roth, MdB, erklärte diesbezüglich am 23.Januar 2009 auf die Anfrage der Abgeordneten Dorothee Menzner, Fraktion DIE LINKE: “Die Haushaltsmittel bis 2008 wurden für die Erneuerung eines Schleusentores und der Torantriebe verwendet. Die veranschlagten Mittel in 2009 und 2010 sind für die Erneuerung eines weiteren Schleusentores vorgesehen. Danach sollen Betoninstandsetzungen an der Kammer durchgeführt und die Straßenbrücke über das Unterhaupt der Schleuse Instand gesetzt werden.”

Gegen den von der Stadt Hannover gewünschten Ausbau des Stichkanals mit Steuergeldern in einem Umfang von rund 220 Millionen Euro regt sich angesichts der widersprechenden Faktenlage Widerstand. Schon jetzt sei der Stichkanal sehr schlecht ausgelastet, und in den vergangenen Jahren habe es keinen nennenswerten Zuwachs gegeben. Von den rund 80 Betrieben rund um den Lindener Hafen nutzten nach einer eigens durchgeführten Befragung nur fünf den Wasserweg. Mit einer Kosten-Nutzen-Effizienz von 1,07 läge das Projekt nach Meinung von Experten am Ende aller Wasserstraßenprojekte des Bundes. Dazu kämen nach Meinung von Fachleuten die negativen ökologischen Auswirkungen sowie die Gefährdungen für den Wohn- und Erholungsstandort Linden überhaupt.

Experten machen darauf aufmerksam, dass es statt des Ausbaus des Stichkanals Linden aus wirtschaftlichen, verkehrsorganisatorischen und ökologischen Gründen weitaus sinnvoller sei, sich angesichts des rasant zunehmenden Seehafenhinterlandverkehrs auf den Ausbau des Hafens Hannover-Misburg, eines weiteren Binnenhafens in der Stadt Hannover, zu konzentrieren.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

Wie erklärt sie den Widerspruch zwischen den Forderungen der Stadt Hannover nach einem Ausbau des Stichkanals Linden mit einem Investitionsvolumen von 200 Millionen Euro bis 220 Millionen Euro aus Steuergeldern und dem niedrigsten Ranking, das dieses Vorhaben nach dem Bund-Länder-Regierungsabkommen 1986 derzeit besitzt?

Wie bewertet sie die Möglichkeit, anstelle des Ausbaus des Stichkanals Linden den Hafen Hannover-Misburg, direkt am Mittellandkanal und in Nähe des Eisenbahn-Hinterland-Hubs Lehrte gelegen, zu entwickeln, um auf diese Weise die mit der Globalisierung immens wachsenden Transportmengen im Hinterland der norddeutschen Seehäfen zu bewältigen?

Wie bewertet sie die Standorte Hannover-Linden, Hannover-Misburg und des Nordhafens Hannover im Rahmen ihres Hafenkonzeptes?

Verkehrsminister Dr. Philipp Rösler beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Gemäß Rahmenvereinbarung von 1965 beteiligen sich die Länder Nordrhein- Westfalen, Bremen und Niedersachsen zu 1/3 an den Kosten zum Ausbau des Mittellandkanals; die übrigen 2/3 trägt der Bund als Vorhabenträger. Diese Vereinbarung umfasst auch den Ausbau der Stichkanäle Osnabrück, Hildesheim, Salzgitter sowie Linden. Es besteht zwischen den Finanzierungspartnern Einvernehmen, dass die Stichkanäle Hildesheim und Salzgitter eine höhere Priorität aufweisen und daher beider weiteren Planung gegenüber dem Stichkanal Linden Vorrang haben. Diese, zwischen den beteiligten Ländern und dem Bund festgelegte Rangfolge gilt nach wie vor.
Unabhängig davon wird der Bund auf der Grundlage der vorliegenden Wirtschaftlichkeitsuntersuchung darüber entscheiden, ob und wann mit den Planungen zum Ausbau des Stichkanals Linden begonnen werden kann. Ein Votum zu Gunsten des Ausbaus wird seitens der Landesregierung begrüßt, sofern die übrigen für Niedersachsen wichtigen Ausbauprojekte dadurch nicht benachteiligt werden.
Dieses vorausgeschickt, werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:

Zu 1.:
Die niedersächsische Verkehrspolitik zielt darauf ab, die jeweiligen Stärken aller Verkehrsträger in optimaler Kombination zu nutzen. Für die Binnenschifffahrt erfordert das, den Ausbauzustand der Wasserstraßen zu verbessern und die Binnenhäfen als Verkehrsknoten und Gewerbestandorte weiter zu entwickeln.

Der Ausbau des Stichkanals Linden gewährleistet die Erreichbarkeit des Hafens für große Binnenschiffe und dient damit der Standortsicherung der dort ansässigen Unternehmen mit Binnenschiffsumschlag. Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ergibt einen Nutzen-Kosten-Faktor von über 1. Damit ist der volkswirtschaftliche Nutzen höher zu bewerten als die Investitionskosten in Höhe von rd. 200 Mio. EUR. Die abschließende Entscheidung hierüber liegt jedoch beim Bund als Vorhabenträger.

Zu 2.:
Es ist erklärtes Ziel der Landesregierung, die Entwicklung sogenannter Hinterlandhubs zur Bewältigung der zunehmenden Güterströme von und zu den Seehäfen zu unterstützen. Dem dient insbesondere auch der Bau der “Mega-Hub-Anlage” in Lehrte. Im Hafen Linden werden dagegen kaum seehafenaffinen Güter, d. h. in der Regel Container, umgeschlagen. Insofern steht der geplante Ausbau auch in keinem direkten Zusammenhang zu den wachsenden Transportmengen im Hinterlandverkehr.

Inwieweit der Hafen Hannover – Misburg als Hinterlandhub geeignet ist, liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor.

Zu 3.:
Im Rahmen des Niedersächsischen Hafenkonzeptes wurde die Unternehmensgruppe Hafen Hannover in ihrer Gesamtheit bewertet. Danach bestehen Potenziale für Umschlagsteigerungen bei entsprechender Ausweitung der Geschäftstätigkeit der in den Häfen ansässigen Unternehmen. Voraussetzung hierfür ist in jedem Fall eine Anpassung der Wasserstraßen an die Erfordernisse der Binnenschifffahrt. Eine Einzelbewertung der Standorte ist nicht erfolgt.

Pressemitteilung Nds. Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr